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„Schön, dass sie kommen konnten“, begrüsste Frau Dr. Buhr ihren Gast. Sie hatte ihn im Wartebereich gegenüber dem Sekretariat des Ministers abgeholt und führte ihn nun in das Besprechungszimmer.
„Nehmen sie Platz. Der Minister wird gleich hier sein. Ich hoffe, sie hatten eine angenehme Anreise?“. Die üblichen Floskeln, danach ein bisschen Small-Talk um die Zeit, bis zum Eintreffen des Ministers, zu überbrücken. Das fiel Frau Dr. Buhr natürlich leichter als ihrem Gast. Es war von vorneherein klar, wer hier Jäger und wer die Beute war. Daher war es eigentlich unnötig Dr. Gassmann nochmals auf das Schreiben mit dem formalen Vorschlag der seitens Fatelog beabsichtigten Verbesserungsmaßnahmen anzusprechen. Zumal es das Ministerium bereits auf dem Postweg erreicht hatte. Allerdings war es, ob unabsichtlich oder geplant würde sich erst später herausstellen, an das Innenministerium gesendet worden. Daher konnte sie es nicht lassen. Es würde sich auch noch gut für einen anderen, mehr demonstrativen Zweck, verwenden lassen. Sie hatte das Kuvert gerade in den Händen, als die Tür aufging und der Bundesminister der Justiz in den Raum preschte.
Dr. Buhr und Dr. Gassmann erhoben sich, der Minister begrüßte seine beiden Gäste und forderte sie auf wieder Platz zu nehmen.
Frau Dr. Buhr fasste die Situation kurz zusammen, betonte sowohl die Notwendigkeit auf die Ereignisse der letzten Tage zu reagieren und auch ihre Zufriedenheit darüber, dass sich Fatelog bereit erklärt hätte, signifikante und verbindliche Verbesserungsvorschläge zu machen. Dr. Gassmann wurde sichtlich unwohler, insbesondere, als die Staatssekretärin auch noch auf die nicht zufriedenstellenden Fortschritte seit den Gesprächen im vergangenen Frühjahr und die aktuell laufende Vorbereitung zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens zu sprechen kam.
Der erste Satz des Ministers drängte den Geschäftsführer der deutschen Fatelogniederlassung vollends in die Ecke.
„Wie sie den Ausführungen von Dr. Buhr entnehmen konnten, sind wir sehr gespannt auf ihre Vorschläge“.
Natürlich hatte Gassmann nicht mehr als das, was zwischen Frau Dr. Barwinski, McFarlane und ihm am Mittwochnachmittag besprochen wurde. Und weitere Angebote enthielt das Schreiben natürlich auch nicht.
Also schilderte er langatmig das Konzept der flexibel einstellbaren Filtermechanismen, wies natürlich dabei auf die Eignung des Mechanismus und die immensen von Fatelog zu tragenden Investitionen hin. Was er nicht erwähnte, neben einem konkreten Bereitstellungstermin, waren die für die Auswertung der Filterergebnisse notwendigen Arbeiten. Insbesondere eine Beteiligung von Fatelog, personeller oder auch nur finanzieller Art, blieb unerwähnt. Ebenso, dass sich das Thema Fakenews mit dem Filtermechanismus nicht in den Griff kriegen ließ. Trotzdem war Gassmann erleichtert, dass er es geschafft hatte, den Vorschlag plausibel darzustellen. Zudem hatte er, wie er mit einem verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr feststellen konnte, fast 15 Minuten der Zeit verbraucht.
Doch die Freude war von kurzer Dauer. Die Staatssekretärin hatte ihre Hausaufgaben gemacht und die Schwächen seines Vorschlages schnell identifiziert. Natürlich hatten die Fachleute des Ministeriums das Schreiben schon analysiert und Frau Dr. Buhr über ihre Erkenntnisse informiert. Langsam dämmerte Gassmann, dass er in eine Falle gelaufen war. Das dieser Termin nicht dazu vorgesehen war, konkrete Lösungsvorschläge zu diskutieren, sondern anderen Zwecken diente.
Konsequenterweise fand auch keine vertiefte sachliche Diskussion statt. Dr. Buhr stellte ihre Sicht auf seinen Vorschlag dar, erwähnte dabei insbesondere die Aspekte, die er bewusst verschwiegen hatte.
Gassmann hatte dann zwar nochmals die Gelegenheit, auf die noch zu lösenden Probleme und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für verbindliche zeitliche Zusagen hinzuweisen, konnte aber die Lücke zwischen seinem Angebot und den Erwartungen nicht mehr wesentlich verkleinert darstellen.
Insofern war er nicht verwundert, als Frau Dr. Buhr das Gespräch bald in Richtung Ende lenkte, resümierte, dass die Vorschläge, natürlich vorbehaltlich der weiteren Analyse durch ihre Fachleute, nicht ausreichen dürften, um die Vorstellungen der Bundesregierung zu adressieren. Natürlich bestünde auch noch weiterhin die Gelegenheit nachzubessern, aber leider wäre wertvolle Zeit verschenkt worden.
Nach nicht einmal 30 Minuten hatte sie Gassmann hinauskomplimentiert.
„Ich kam mir irgendwie wie Staffage vor“, bemerkte der Minister, der sich wirklich, bis auf den einen Satz, nicht am Gespräch beteiligt hatte.
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich ihre Zeit dafür in Anspruch nehmen musste. Aber ich habe gleich einen Pressetermin. Zu dem ich, wegen dieses Termins, zu spät kommen werde. Die Presseleute sind nachsichtiger, wenn ich Ihnen sagen kann, dass sie warten mussten, weil der Bundesjustizminister Fatelog Gelegenheit zu einem Gespräch gegeben hat. Dass das Unternehmen sogar verbindliche Vorschläge vorgelegt hat, die zwar auf den ersten Blick völlig unzureichend scheinen, aber natürlich sorgfältig geprüft werden. Dabei werde ich mit dem Kuvert wedeln. Dann müssen wir abwarten, ob wir damit bei Fatelog nochmals etwas erreichen“.