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„Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Nein die Bezeichnung ist genauso fragwürdig wie der Inhalt“ antwortete Staatssekretär Schneider der wartenden Reporterschar und widmete seiner Kollegin aus dem Justizministerium ein süffisantes Lächeln. „Zwar enthält es sinnvolle Elemente, wie sie der Innenminister auch schon seit längerem vorgeschlagen, ja angemahnt hatte, aber wesentliche, elementare Punkte sind unzureichend gelöst bzw. fehlen ganz. Gut ist sicher die Verpflichtung der Netzwerkunternehmen konkrete Anlaufadressen und Verantwortliche in der Bundesrepublik zu etablieren und zu benennen. Gut sind auch verbindliche Fristen für die Beseitigung von falschen und menschenverachtenden Inhalten. Was aber völlig falsch ist, ist die faktisch in dem Gesetz enthaltene Legitimation der Plattformbetreiber zur Zensur. Letztlich bestimmen die Unternehmen, was auf den Plattformen gepostet werden darf und was nicht. Welche Beiträge gelöscht werden und welche online bleiben. Hier wird eine Art Meinungshygiene gefordert, die Festlegung der Hygienestandards aber privaten Unternehmen überlassen. Damit haben sie die Möglichkeit, noch stärker als schon jetzt, Meinungen zu unterdrücken, Fakten zu unterschlagen und Sichten auf die Welt zu manipulieren. Und da die Unternehmen vornehmlich ihren Aktionären verpflichtet sind, Profite erwirtschaften sollen, ihnen bei Unterlassung sogar erhebliche Strafen angedroht werden, wird ihnen implizit sogar empfohlen, Beiträge im Zweifelsfall nicht öffentlich zu machen oder sie bei jedwedem Protest entfernen zu lassen. Was wir bei autoritären Staaten kritisieren, erwarten wir nun sogar von profitorientierten internationalen Unternehmen. Das Gesetz ist unzureichend. Deshalb werden wir es nach der Wahl erweitern“.
„Was sagen Sie dazu, Frau Dr. Buhr“?, leitete der Moderator das Wort an sie weiter.
„Timing ist wirklich entscheidend und Skrupel sind in der Politik unangebracht“, dachte sie, während sie anhob das Gesetz gegen den politischen Gegner und gegen ihre eigene Überzeugung zu verteidigen.
- Ende -